Wichtige Begriffe einfach erklärt. finally.

A

Advanced Care Planning

Advanced Care Planning beschreibt einen Entscheidungsfindungsprozess, der den schwerkranken Menschen befähigt, seine Wünsche gemeinsam mit dem Behandlungsteam und wichtigen Bezugspersonen zu bearbeiten. «Gegründet auf dem ethischen Prinzip der Patient:innenautonomie und der legalen Bestimmung einer informierten Zustimmung hilft eine bestmögliche Vorausplanung, das Konzept der Zustimmung auch tatsächlich zu respektieren, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, aktiv an medizinischen Entscheidungen teilzunehmen.» (Singer, Robertson, Roy 1996). In kontinuierlichen Gesprächen werden Therapie Notfallpläne und Gefässe für Informationsaustausch erarbeitet, Patient:innenverfügungen werden verfasst und mögliche Therapien wie auch Sterbeorte (Hospiz, Zuhause, Pflegeheim etc.) diskutiert. Ziel von Advanced Care Planning ist, dass der Mensch und die Menschen, die ihn begleiteten, so wenig Unruhe und Stress wie nur möglich erfahren.

Akzeptanz

Akzeptanz bedeutet, mit etwas einverstanden sein. In der Phase der Akzeptanz hat der Mensch, der am Ende seiner Reise steht, sein Schicksal angenommen. Dadurch setzt ein ruhiger, teilweise gefühlloser Zustand ein, der zu Verschlossenheit führen kann. Der Wunsch nach Gesprächen nimmt ab, der Blick richtet sich nach innen und das Verlangen nach Besuch reduziert sich. Das Nach-Innen-Gekehrt-Sein sollte nicht als Ablehnung gelesen werden, denn es ist der natürliche Rückzug aus der Welt. Die begleitenden Personen sind nun als stille Teilnehmer:innen gefragt. Am Bett sitzen, berühren, Geschichten erzählen, d.h. kleine liebevolle Gesten, können nun Grosses bewirken, da sie dem Abschied nehmenden Menschen zeigen, dass es in Ordnung ist, wenn er oder sie das Leben verlässt.

Andere Kulturen

Andere Kulturen haben sehr unterschiedliche Vorstellungen über Tod und Sterben. Christen leben mit der Idee, dass der Mensch eine unsterbliche Seele hat und dass Gott den Weg der Begleitung mit ihm geht. Gott ist in Jesus zu einem Mensch geworden, der das Sterben und den Tod selbst angenommen und durchlitten hat. Hindus leben mit der Vorstellung, dass die Seele einem kontinuierlichen Kreislauf von Geborenwerden und Sterben unterliegt, sie nehmen den Tod ohne viel Widerstand an. Im Judentum wird einem sterbenden Menschen beispielsweise eine besondere Hochachtung entgegengebracht. Jedoch darf der Mensch nicht berührt werden und nichts darf den Prozess stören oder beschleunigen. Die Reflexion der eigenen Haltung gegenüber Wünschen und Vorstellungen anderer hilft daher sehr, im Hinblick auf fehlende Religionszugehörigkeiten wie auch aus der Perspektive von selbstgestalten «Bastelreligionen».

Anonymisierung

Anonymisierung des Todes entsteht durch die Fragmentierung unserer Körper in spezifische Fachgebiete und die Auslagerung chronisch kranker und sterbender Menschen in Institutionen. Palliative Care und Hospize sowie die Death Positive Bewegung stellen sich dieser Anonymisierung entgegen und engagieren sich für einen privateren und ganzheitlichen Umgang mit dem Tod.

Ä

Ästhetik

Ästhetik ist keine verzichtbare Zutat, ist nicht überflüssiger Luxus, sondern ein wichtiges Mittel des Austauschs mit sich selbst und anderen (vgl. Aida Bosch). Betrachten wir Übergänge im Leben, so stellen wir fest, dass es für viele Situationen sorgsam gestaltete Angebote gibt. In fragilen Zeiten, in denen wir auf die Hilfe von Menschen wie auch wohltuenden Dingen angewiesen wären, scheinen diese bisher zu fehlen. Kein Textil, das uns umgarnt, kein Spitalhemd, das uns liebevoll umhüllt, kein Hilfsmittel, welches nicht Unbehagen auslöst. Dieser Anti-Ästhetik bzw. Nicht-Ästhetik setzt finally. neue Designs entgegen.

B

Berührung

Berührung ist für uns Menschen wichtig, ganz gleich, in welcher Lebensphase und Lebenssituation wir uns befinden. Mass und Wunsch nach Berührung kann sich verändern, wenn Körperpartien schmerzen, einem übel ist oder wir uns in unseren «angeschlagenen» Körpern unwohl fühlen. Es kann sich aber auch verändern, weil sich nahestehende Personen nicht trauen und unsicher sind, wo, wie und wann sie uns berühren dürfen. Daher ist auch hier eine offene Kommunikation gefragt.

Brücken bauen

Brücken bauen ist eine Aufgabe, die nach Aussage des Palliativmediziner Dr. Roland Kunz, welches das Design leisten kann. Bewusst designte Objekte können Gespräche evozieren, können Ängste reduzieren, können Nicht-Sagbares kommunizierbar machen, wie auch Handlungen initiieren. Sie sind stumme Wissensvermittler:innen und können den Übergang in eine neue Lebensphase begleiten. Sie können aber auch eine emotionale, kommunikative wie auch sinnliche Brücke zwischen Leben und Tod für betroffene und nahestehende Personen bauen.

C

Care

Care steht – anders als der deutsche Begriff «Pflege» – auch für Fürsorge, Versorgung, Betreuung und Aufmerksamkeit. Daher scheint der Ausdruck passender, denn wenn jemand auf Pflege angewiesen ist, geht es nicht nur um die Versorgung eines zerbrechlichen Körpers, sondern auch um ein fürsorgliches Miteinander, einfühlsame Kommunikation und aufmerksame Gespräche. Lachen, trösten, zuhören und einfach nur Zeit miteinander verbringen sind gleichsam wichtig.

Clowns

Clowns erhellen und unterbrechen nicht nur den Alltag von Kindern, sondern auch denjenigen von Menschen, die sich in der letzten Lebensphase befinden. Betroffene, die sich auf Klinik-Clowns einlassen, erfahren im Kontakt mit ihnen Entspannung und humorvolle Momente, die Ängste oder Schmerzen in den Hintergrund treten lassen. In Settings, wo oft funktionale Maßnahmen dominieren, sind nichtmedizinische Hilfestellung wie lachen, lästern oder singen oft die wirkungsvollere Medizin, die uns ermöglicht, die spezielle Lebenssituation leichter anzunehmen.

D

Death Positive Movement

Death Positive Movement beschreibt eine globale Bewegung, die gegenwärtig immer mehr Anhänger:innen findet. Ziel der Bewegung ist es, Gespräche rund um den «guten Tod» zu suchen. Dabei wird nach Wegen und Mitteln gesucht, wie man Menschen dazu bringen kann, mit Freund:innen, Eltern und Partner:innen über den Tod, das Sterben und Bestattungswünsche zu sprechen. Die Death Positive-Bewegung wurzelt auf der Hospiz-Bewegung, die ihren Anfang in den 1960er nahm.

Depression

Depression wie auch Ängste und Trauer entstehen, wenn der Mensch anerkennt bzw. realisiert, dass er sterben wird und dass es keinen Weg zurück gibt. Er betrauert die Verluste, die er durch die Erkrankung erleiden muss, wie beispielsweise den Verlust körperlicher Integrität, den Verlust von Autonomie, den Verlust persönlicher und beruflicher Chancen, den Verlust von all den Dingen, die der Mensch sich in gesunden Zeiten nicht erfüllt hat. In dieser Phase hilft es, einfach zuzuhören und dem Betroffenen hierdurch Entlastung zu bieten. Mitleid und Trösten im Übermass wird hingegen oft als Zeichen gedeutet, den Redebedarf stoppen zu wollen und sollte dementsprechend vermieden werden.

F

Fragilität

Fragilität bedeutet Zerbrechlichkeit und steht für Anfälligkeit, Feinheit, Verletzlichkeit, Brüchigkeit, aber auch für Grazilität, Zierlichkeit und im übertragenen Sinn auch für Zartheit. Sowohl konkrete Dinge als auch Sachverhalte wie Beziehungen, Lebensstile, Konzepte, Vorstellungen als auch Gesellschaftsstrukturen und Körper können als fragil bezeichnet werden. Fragilität ist ein wichtiger Begriff für finally., denn er fasst die Brüchigkeit des Menschseins und die damit verbundene verletzliche Konstruktion unserer Identität, die durch Diagnosen und Krankheiten zu zerbrechen drohen, wenn wir nicht Wege finden, unser Leben den neuen Gesundheitsbedingungen anzupassen. Hier gibt es aus Perspektive von finally. viel individuellen Gestaltungsraum.

Fuck You

Fuck You ist auch eine zornige und wütende Reaktion auf das Schicksal, das Menschen mit schwerer oder chronischer Krankheit bevorsteht. «Fuck You» zu rufen oder zu schreien, kann in seiner radikalen Ausdrucksform Luft schaffen und nach mehrfachem Ausruf auch zum «Lach-Flash» führen.

Fünf-Phasen

Fünf-Phasen des psychischen Erlebens beschreibt ein Modell, das die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross in Gesprächen mit Sterbenden beobachtet hat. Diese Phasen folgen keinem linearen Prozess und müssen auch nicht zwangsläufig nacheinander ablaufen. Es kann auch sein, dass Betroffene eine Phase auslassen. Das Modell ist also nicht als starres Korsett zu verstehen, denn jeder Mensch stirbt seinen ganz individuellen Tod. Die Phasen sind: 1. Nicht-Wahrhaben-Wollen, 2. Zorn, 3. Verhandeln, 4. Depressionen, 5. Zustimmung. Das Erkennen dieser Phasen kann helfen, Betroffene besser zu verstehen.

G

Gut zu riechen

Gut zu riechen kann für Menschen mit schweren Krankheiten genauso bedeutsam sein wie für diejenigen, die sie betreuen oder begleiten. Der Wunsch, gut zu riechen, kann aber auch verloren gehen, weil wir unseren krankenden Körper als Fremdkörper wahrnehmen und uns selbst nicht mehr gerne haben. Sich dennoch mit einem Duft, den wir gerne haben, zu umhüllen, kann aber auch helfen, dass wir wieder näher an uns heranrücken. Zudem kann ein angenehmer Duft sich auch auf das Raum- und das «Sozialklima» auswirken und so auch Nähe zu anderen ermöglichen. Bitte sorgsam mit dem Einsatz von Düften umgehen, da sich die Wahrnehmung von «guten» und «schlechten» Gerüchen mit Krankheit verändert und sowieso sehr subjektiv empfunden wird. Auch hier ist ein offenes Gespräch oder ein vorsichtiges Herantasten nützlich.

H

Hoffnung

Hoffnung wird gerne mit Illusion verwechselt. Folgen wir Expert:innen, so dürfen wir auf Wunder hoffen, aber nicht auf sie bauen. Deshalb ist es zentral, dass Fachpersonen offen kommunizieren und negative Prognosen klar darlegen. Ist die traurige Wahrheit ausgesprochen, müssen wir den betroffenen Menschen nicht permanent die Hoffnung nehmen. Beginnen wir Gespräche über Hoffnung, stellen wir fest, dass es nicht nur eine Hoffnung, sondern viele Hoffnungen gibt: Hoffnung auf Heilung, Hoffnungen auf ein Sterben ohne Leiden, auf Wohlbefinden und Lebensqualität in der letzten Lebensphase sowie Hoffnung auf eine gute Zukunft für diejenigen, die ohne uns weiterleben. Das Gespräch über Hoffnungen kann Einblicke in die momentane Gedankenwelt geben. Hoffnungen verschieben sich im Lauf der Gesundheitsreise.

Hospiz

Hospize sind Orte , in denen End-of-Life-Care ganzheitlich stattfindet. Das Hospiz als Konzept setzt sich seit der ersten Stunde für eine humanere Begleitung unheilbar kranker Menschen und ihrer Familien ein. Dies beinhaltet besonders die Sterbebegleitung im Sinne der Palliative Care. Die Krankenschwester und Ärztin Cicely Saunders gilt als Gründerin des ersten modernen stationären Hospizes in England 1967, dem Christopher’s Hospice.

Hospizbewegung

Hospizbewegung – sie entwickelt sich seit Ende der 1960er Jahre, ausgehend von Grossbritannien. Sie befasst sich mit der Verbesserung der Lebenssituation sterbender Menschen und ihrer Angehörigen sowie mit der Enttabuisierung des Todes und mit der Integration von Sterben in unserer Gesellschaft. Sie reagiert damit auf «unwürdige» Sterbebedingungen in Akutspitälern und auch auf die Tabuisierung des Todes in unserer Gesellschaft. Cicely Saunders wie auch Elisabeth Kübler-Ross sind Pionierinnen dieser Bewegung. Ihr Engagement löste weltweit weitere Initiativen aus.

Humor

Humor und Sinn für Humor gilt als Persönlichkeitseigenschaft und ist typisch menschlich. Humor bietet aber auch Ablenkung und dient zudem der Verarbeitung und erleichtert uns, irritierende, groteske, ängstigende und nicht fassbare Situationen in den Griff zu bekommen. Humor wird beispielsweise als einer der wichtigsten Schutzfaktoren gegen Burnout genannt und wird auch in Settings, in der Gesundheit nicht anwesend ist, als leidmindernd wahrgenommen. Er ignoriert nicht den Schmerz, macht ihn aber manchmal überhaupt erst erträglich. Humor und seine Ausdrucksformen wie das Lachen und Klopfen dummer Sprüche helfen nicht nur Menschen in schweren Lebenslagen, sondern auch denen, die sie umsorgen und denjenigen, die weiterleben. Auch wenn Lachen nicht gesund macht, dient Humor nicht selten als Schutzschild vor dem Verrücktwerden.

I

Identität

Identität wird gestaltet durch uns selbst im Austausch mit der Gesellschaft. Das Leben mit einer chronischen Krankheit wird meist unter der Grundannahme verhandelt, dass Krankheit zur Beschädigung von Identität führt. Demgegenüber steht die These, dass chronische Krankheiten auch eine positive Bedeutung auf unsere Identität haben können. Empirische Studien zeigen, dass Menschen ihre Identität nicht nur als gebrochen oder zerstört wahrnehmen und Krankheit nicht zwingend zur Selbstaufgabe führt, sondern dass Krankheiten auch dazu führen können, dass wir unsere Identität neu erfinden oder erweitern. Selbstverwirklichung, Self-Empowerment und Self-Care können Resultate dieser Neujustierung sein.

K

Kein Appetit

Kein Appetit zu haben ist bei akuter wie auch schwerer Krankheit nichts Ungewöhnliches, da Schmerzen, Sorgen, Unwohlsein wie auch Medikamente unseren Appetit hemmen. Kein Appetit zu haben kann leider in fragilen Lebenszeiten nicht nur für die Betroffenen selbst zum Problem werden, sondern kann auch Beziehungen zu Menschen stören, die nur unser Bestes wollen, da sie möchten, dass man wieder zu Kräften kommt und schwer akzeptieren können, dass man am Lebensende weniger benötigt oder dass das Nicht-Essen sogar schmerzlindernd wirken kann.

Koffer packen

Koffer packen, heisst es, wenn eine Diagnose Untersuchungen im Spital erfordert oder wir uns einem Eingriff unterziehen müssen. Um so öfter Spitalaufenthalte auf uns zukommen, desto öfter packen wir unsere Sachen. Das führt dazu, dass wir routinierter werden und ein Gefühl dafür entwickeln, was mitmuss und nicht. Da wir meist bei jedem Aufenthalt weniger Ressourcen haben, über solche Fragen nachzudenken, da die Krankheit mehr Raum einnimmt, lässt sich beobachten, dass Menschen am Ende des Lebens kaum etwas dabeihaben. Zu beobachten ist auch, dass chronisch kranke Menschen ihre Koffer gepackt lassen. Der Reisekoffer wird zum Notfallkoffer, da wir davon ausgehen, dass wir unser Zuhause bald wieder verlassen müssen. Koffer packen ist aber auch ein Synonym in der Pflege und beschreibt das menschliche Bedürfnis, wichtige Dinge bei sich im und beim Bett zu haben. Was Menschen auf ihrer letzten Lebensreise nah bei sich haben wollen, verändert sich im Verlauf der Zeit.

L

Lebensqualität 

Lebensqualität ist ein Sammelbegriff für alles, was die Lebensbedingungen eines Individuums oder einer sozialen Gruppe ausmacht. Grundsätzlich versteht man unter der Qualität des Lebens vor allem den Grad des subjektiven Wohlbefindens einer Person oder einer Gruppe von Menschen. Wohlbefinden wird durch materielle und immaterielle Lebensbedingungen geprägt. Dimensionen der materiellen Lebensbedingungen sind u.a. Einkommen, Vermögen und die Wohnsituation. Die immateriellen Dimensionen umfassen vor allem Gesundheit, Bildung, Qualität der Umwelt, persönliche Sicherheit, politische Selbstbestimmung und Work-Life-Balance. Im Kontext schwerer Krankheit wird Lebensqualität vielfach im Verhältnis zur medizinischen Lebenszeitverlängerung diskutiert, da medizinische Interventionen oft die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Liegemode

Liegemode ist – aus Perspektive von finally. – Mode, die wir nicht nur in aktiven Zeiten unseres Lebens tragen können, sondern auch in Zeiten, in denen das Bett zum Lebensmittelpunkt wird. Liegemode ist nicht Schlafmode noch ist es reine Pflegemode, die Pflege vereinfacht. Es ist Mode für Menschen, die auch in fragilen Zeiten mit Mode kommunizieren möchten und zeigen wollen, wer sie sind und was ihnen wichtig ist. Sie ermöglicht nichtsdestotrotz Fürsorge und Pflege und ist so konstruiert, dass liegende Menschen keine unnötigen Druckstellen bekommen. Dinge können Sozialität in sich tragen oder erzeugen. Der Ball im Ballspiel ist ein gutes Beispiel. Dieser ist mehr als ein:e Mitspieler:in. Spieler:innen jagen den Ball. Er verbindet sie untereinander als Spieler:innen und Gegner:innen. Pflegedinge sind gleichsam Sozialität stiftende Objekte (Bruno Latour), die Interaktion und Austausch ermöglichen.

Lügen

Lügen findet oft statt, wenn Menschen andere Menschen nicht belasten oder schützen wollen, etwa wenn Menschen Pflegende oder Ärzt:innen auffordern, ihren Angehörigen nicht die Wahrheit über ihre Prognose zu sagen. Zudem gibt es auch die Lüge, die daraus entsteht, dass wir etwas nicht wahrhaben wollen oder verdrängen. In dem Buch «Geschichte des Todes» wird von dem «Aufkommen der Lüge» gesprochen, die durch das Aufkommen medizinischer Möglichkeiten entsteht, da sich plötzlich der Tod als Krankheit maskiert und nicht mehr als natürlicher Teil des Lebens wahrgenommen wird. Eine Gesellschaftslüge, die sich bis heute gehalten hat und auch zur Sprachlosigkeit und Tabuisierung des Todes führt.

M

Mitgefühl

Mitgefühl stellt ein starkes Motiv in der Begleitung dar. Mitgefühl ist näher betrachtet nicht nur ein Gefühl, sondern auch eine Haltung, ein Sich-verbunden-Wissen. Diese Haltung zeigt sich durch Achtsamkeit und Respekt. Mitgefühl heisst, den anderen wahrzunehmen und Anteil an seinem Schicksal zu nehmen, ohne sich damit zu identifizieren. Mitleid ist hingegen eine Emotion, die kaum ein Mensch erträgt, der Mitleid empfängt. Mitleid impliziert ein Gefälle. Wenn wir eine Person bemitleiden, dann schauen wir auf diesen Menschen in gewisser Weise herunter. Im Grunde geht es uns dann viel mehr um uns selbst und wir zeigen damit, dass wir froh sind, dass es uns besser geht als dem anderen und fühlen dann weniger mit.


Mundpflege

Mundpflege ist wichtig und gewinnt am Ende des Lebens nochmals mehr Bedeutung, da Trockenheit im Mund oder ein schlechter Geschmack wie auch Ablagerungen Unwohlsein auslösen können. Die Art und Weise, wie wir unseren Mundraum pflegen oder wie er gepflegt wird verändert sich am Ende des Lebens, vor allem in der terminalen Phase, dem letzten Lebensabschnitt vor dem Tod.

N

Nicht-Wahrhaben-Wollen

Nicht-Wahrhaben-Wollen ist eine Abwehrreaktion, wenn Menschen eine schlechte Prognose erhalten. Sie reagieren dann häufig mit Empfindungslosigkeit, Schock, Verleugnung wie auch mit körperlichen Beschwerden. Sie geraten in eine Schockphase, die eine Schutzfunktion der Psyche darstellt. Die Folge ist vielfach, dass Menschen die negativen Botschaften nicht hören oder nicht wahrhaben wollen; sie stecken den Kopf in den Sand. Diese Reaktion ist für nahestehende Personen schwer zu ertragen, dennoch sollten wir abwarten und die Zeit geben, die Nachricht zu verarbeiten, bevor wir auf die Betroffenen einreden.

O

Ortswechsel

Ortswechsel sind nicht selten, wenn Krankheit unser Leben durchdringt. Oft reisen wir von einer Untersuchung oder einer Station zur anderen, oder müssen für kurze Zeit in ein spezifisches Spital, in die Reha oder vielleicht sogar in Kurzzeitpflege, bevor wir wieder nach Hause können. Wird die Krankheit schwerer und der Gesundheitszustand unübersichtlicher, können sich Ortswechsel häufen. Hoffnung auf Besserung durch medizinische Interventionen und Pflege, Schmerzen oder neue Symptome wie auch Ängste, Erschöpfung und Überforderung können der Auslöser sein. Oft entscheiden sich nicht nur Betroffene für einen Wechsel, sondern auch die Angehörigen, die die Belastung nicht aushalten und einen Ortswechsel initiieren. Anzumerken ist, dass Palliative Care versucht, durch «Advanced Planning» unnötige Wechsel zu vermeiden.

P

Palliative Care

Palliative Care ist ein international anerkanntes interdisziplinäres Konzept zur Versorgung, Beratung und Begleitung schwerkranker Menschen jeden Alters mit einer nicht heilbaren Grunderkrankung. Gelindert werden physische Leiden und psychosoziale wie auch existentielle und spirituelle Schmerzen. Im Zentrum stehen Prozesse der Entscheidungsfindung, die Realisation einer bestmöglichen Lebensqualität bis zum Ende. Die Fürsorge gilt dabei nicht nur den Betroffen selbst, sondern auch den nahestehenden Personen, die ebenfalls einer hohen Belastung ausgesetzt sind. Palliative Care ist aus dem Lateinischem abgeleitet von cura palliativa, der den Begriff palliare mit dem englischen Begriff care vereint. Pallium leitet sich vom Lateinischen, auf deutsch Mantel, ab und beschreibt einen Umhang, der sich schützend, jedoch nicht einengend über die schwerkranken Menschen legen soll.

Perspektivenwechsel

Perspektivenwechsel sind immer wichtig und nützlich, auch wenn es nicht immer einfach ist, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen. Manchmal hilft es aber schon, sich in das Krankenbett des anderen zu legen, den energiereichen Brei zu essen, der Betroffenen angeboten wird, oder sich mit Hilfsmitteln wie Stöcken, Rollstühlen oder Rollatoren über den Flur zu bewegen.

Macht ist im eigentlichen Sinne kein Bedürfnis, sondern eine Strategie, um Bedürfnisse zu realisieren. Der Stellenwert von Macht in medizinischen Kontexten ist auf verschiedene Weise spürbar. Dass Ärzt:innen Macht über Betroffene ausüben, ist wohl der Sozialisation in einem von Macht geprägten System geschuldet, das durch den Einsatz subtiler Machttechniken stetig am Laufen gehalten wird. In medizinischen Settings ist die Herrschaft über Leben und Tod omnipräsent und führt nicht selten zu Konflikten und Krisen und dem Gefühl der Machtlosigkeit.

R

Reise

Reise ist ein oft metaphorisch verwendeter Begriff im Kontext Krankheit, der den Wandlungsprozess im Leben eines Menschen beschreibt. Demnach ist die Reise als Bild für das Leben eines Menschen zu verstehen. Reisen als Sinnbild ersetzt bei finally. den Prozess des Krankwerdens und Sterbens. So entsteht ein Erfahrungs- und Handlungsrahmen, der zwischen dem Wunsch nach Vertrautem und der Neugier nach Unbekanntem und der Angst vor der Fremde oszilliert.

Reisetextilien

Reisetextilien sind – aus Sicht von finally. – Textilien, die uns auf dem Weg von gesund zu krank im Alltag hautsinnlich zur Seite stehen.

S

Salutogenese

Salutogenese (abgeleitet von lateinisch salus «Gesundheit, Wohlbefinden» und altgriechisch γένεσις «Geburt, Entstehung») bezeichnet den individuellen Entwicklungs- und Erhaltungsprozess von Gesundheit. Nach diesem Konzept ist Gesundheit kein fester oder tatsächlicher Zustand, sondern ein sich wandelnder komplexer Prozess. Aaron Antonovsky, der den Begriff der Salutogenese gesetzt hat, geht davon aus, dass Menschen das grundsätzliche Bestreben haben, gesünder zu werden. Das Modell der Salutogenese zielt daher darauf ab, Menschen zu unterstützen, ihr gesundheitliches Potenzial zu stärken.


Schmerz

Schmerz kann nicht nur physischer Natur sein, sondern es gibt auch psychischen, sozialen, spirituellen und existentiellen Schmerz, der sich jedoch oft körperlich äussert. Wir kennen solche Formen des Schmerzes bei Liebeskummer, das Herz schmerzt, obwohl das Herz aus medizinischer Sicht gesund ist. Da Schmerz mehrdimensional ist, ist es für Mediziner:innen oft schwer, Menschen ein schmerzfreies Leben und Lebensende zu realisieren. Herauszufinden, wo der Schmerz seine Ursachen hat, ist zentral. Entsteht Schmerz aus der Angst, Angehörige seien nicht versorgt? Entsteht Schmerz, da wir das Leben verlassen müssen oder entsteht Schmerz, weil wir nicht wissen, wohin unsere Reise geht?

Schöner Tod

Schöner Tod ist ein Phänomen des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit entstehen eine neue Empfindsamkeit und ein fast schon liebevoller Umgang mit dem Tod. Zwar sind Verzweiflung und Verlust und Angst, das Leben verlassen zu müssen, nicht ausgelöscht, aber gleichsam wächst auch die Hoffnung, sich eines Tages nach dem Tod wiederzusehen. Der Glaube, im Himmel alles wiederzufinden, was einem auf Erden glücklich gemacht hat, spendet Trost und Hoffnung. Im Zeitgeist der „schönen Tode“ wird der Tod nicht als Verlust des Lebens angesehen, sondern nur als vorübergehende Trennung auf einer himmlischen Reise.

Selbstermächtigung

Selbstermächtigung wie auch Self-Empowerment zielt darauf ab, dass wir Menschen die Fähigkeit entwickeln und verbessern, unsere soziale Lebenswelt und unser Leben selbst zu gestalten, und wir uns nicht (nur) von aussen gestalten lassen. Es beschreibt Strategien und Maßnahmen, die den Grad an Selbstbestimmung und Autonomie im Leben eines Menschen oder Gemeinschaften erhöhen sollen. Hierfür müssen wir lernen zu erkennen, wer eigentlich gerade die Fäden in unserem Leben in den Händen hält. Sind wir es nicht selbst, sondern andere, stellt sich Frage, ob wir das wollen und wie wir in welchen Teilen unsere Eigenmächtigkeit, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung zurückgewinnen können. Dies scheint besonders wichtig, wenn Krankheit und medizinische Interventionen unsere Lebenswelt durchdringt und steuern.

SENS

SENS beschreibt ein Modell, das bei Menschen mit potentiell lebensbedrohlichen Erkrankungen genutzt wird, um bestehende Rahmenbedingungen zu verbessern. Es ermöglicht, eine ganzheitlichen (Behandlungs-)Planung zu entwickeln. «S» steht dabei für Symptom-Management, d.h. Möglichkeiten der medizinischen Symptombehandlung wie auch Möglichkeiten des Self-Empowerments werden eruiert. «E» steht für Entscheidungsfindung. Hier steht die Definition eigener Ziele und Prioritäten wie auch eine präventive Planung im Zentrum. Krisen und mögliche Komplikationen sollen vorbesprochen werden, um unnötigen unüberlegten Ad-hoc-Handlungen entgegenzuwirken. «N» steht für Netzwerk. In Gesprächen mit Betroffenen und ihrem Umfeld soll erkundet werden, welches Betreuungsnetzwerk (stationär, ambulant, privat) es gibt und wie und wann es eingebunden werden kann. Das letzte «S» steht für Support. Hier geht es explizit um den Aufbau von Unterstützungssysteme für nahstehende Personen und Fachpersonen.

Spiritualität

Spiritualität beschreibt eine Erfahrungsebene jenseits vom Denken und nicht zwingend an eine spezifische Religion gebunden. Spiritualität steht nicht im Gegensatz zur Wissenschaft. Es geht nicht um den Gegensatz von Glauben und Wissen, noch um den Gegensatz von Wunschdenken und Wirklichkeit, sondern um eine grundlegende Dimension unseres Daseins. Eine spirituelle Erfahrung entzieht sich prinzipiell der Verbalisierbarkeit.

Sterbesettings

Sterbesettings ist der Name des SNF-geförderten Forschungsprojektes, das aus vier Perspektiven und Zugängen (Design, Sprache, Pflege, Religion) das Lebensende exploriert. sterbesettings.ch

Ü

Übergangsobjekte

Übergangsobjekte helfen, unsere Identität in Wandlungsprozessen immer wieder neu zu konstruieren, sie verbinden gute Phasen mit schlechten, das Leben mit dem Ende und ermöglichen uns den Übertritt. Sie sind nicht-menschliche Begleiter:innen, die zu uns und anderen sprechen und uns Halt geben können.

V

Verhandeln

Verhandeln ist eine Strategie, mit der Betroffene versuchen, ihr Schicksal umzulenken. Sie beginnen, mit sich selbst, mit Ärzt:innen oder und auch mit Gott zu verhandeln und erhoffen sich, durch einen friedlichen und partnerschaftlichen Umgang und eine gute Kooperation eine längere Lebensspanne herauszuschlagen. Eine Reaktion, die daraus resultiert, kann auch sein, dass der schwerkranke Mensch Wünsche äußert, die Angehörigen utopisch und unrealistisch erscheinen. Passiert dies, ist es hilfreich, eine Kommunikation zu wählen, die Hoffnung zulässt, ohne falsche Hoffnungen zu wecken.

W

Wut

Wut und Zorn sind häufig impulsive und aggressive Reaktionen auf unangenehme Nachrichten und Situationen und begleiten dementsprechend auch Krankheitsverläufe. Wütend sind wir auf uns, da wir unseren Lebensstil für unsere Krankheit verantwortlich machen, wütend sind wir auf unseren Körper, unsere Gene, auf äussere Umstände, auf Fachpersonen, Arbeitgebende und nahestehende Personen, auf Behandlungsanbieter:innen und -verläufe, auf das Gesundheitssystem und auch auf die Gesellschaft, die Krankheit und Endlichkeit nicht als Teil des Lebens anerkennt. Wut begleitet aber nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige.

Z

Zorn

Zorn ist oftmals eine heftige Emotion und Reaktion nach dem ersten Schock und geht gelegentlich mit Aggressionen und Schuldzuweisungen einher. Teilweise treten solche Emotionen auch unterschwellig auf und äußern sich darin, dass wir es dem Menschen nicht recht machen können. Dies kann nahestehende Personen ebenfalls wütend oder traurig machen und Beziehungen sehr belasten. Angehörige sollten daher ein Gefühl dafür entwickeln, dass sich der Zorn nicht gegen sie persönlich richtet, sondern Teil des Verarbeitungsprozess ist.